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Mirtazapin AL 30 mg Filmtabletten liegen vor dir, in ihrer kleinen rot-weißen Packung.
Dein Arzt hat in seiner unleserlichen Handschrift etwas in das Feld geschrieben – Nach Vorschrift des Arztes einnehmen.
Seine Vorschriften kannst du kaum entziffern, es geht um irgendwas mit 21 Uhr.
Dunkel erinnerst du dich, dass er dir befohlen hat, eine halbe Tablette zu dieser Zeit einzunehmen.
Du schaust auf die Uhr deines Computers, der immer und immer wieder das selbe Lied spielt.
20:48.
Diese Zahl kotzt dich an.
Wenn du das Zeug brauchst, können 12 Minuten verdammt lang sein. In 12 Minuten kann so unglaublich viel passieren.
Eins und zwei, mehr nicht.

Denn die Gedanken kommen. Sie drängen unaufhörlich nach vorn, aus deinem Hinterkopf wollen sie deine Stirn überfluten, erobern Neuronenbahnen und vergiften dein Denken.
Aus deinem Unterbewusstsein steigen sie auf in deinen Geist, kehren aus dem Verdrängen immer wieder zurück.
Die Erinnerungen, der Druck, die Bilder, die Gefühle, so tief in deinem Inneren weggesperrt und doch immer da.

Es kann hilfreich sein, wenn Sie einem Freund oder Verwandten erzählen, dass Sie antidepressiv sind.
Dass Sie keine schlechten Gedanken mehr haben.

Du hältst es kaum aus, denn du weißt was passiert, wenn der Ritter Mirtazapin nicht erscheint. Dieser Engel mit dem Glorienschein, der alles erträglicher macht.
Du konntest nicht schlafen.
Du hattest Angst vor der Dunkelheit, in der die Dämonen lauerten, und vor dem Licht, in dem dein ganzen Scheitern offenbart wurde.
Schlaf war dein schlimmster Feind, denn er brachte die Träume, in denen du glücklich warst, bevor alles in Scherben zerfiel.

Du konntest nichts essen, zwar spürtest du Hunger, aber du wolltest dem Drängen deines Körpers nicht nachgeben.
Der Hunger machte es erträglicher, dieses ständige Stechen erinnerte dich daran, dass du noch da warst.

Noch 8 Minuten.

Am schlimmsten aber war der Wunsch nach Schmerz.
Ein Messer, Zigaretten, egal was, solange es schmerzte und brannte.
Deine Arme waren voll von roten Malen, du hast dich immer wieder und wieder gebissen.
Wie ein Tier in der Falle.
Deine Haut - eine Landkarte des Leides.

Gehen Sie zu ihrem Arzt oder suchen Sie unverzüglich ein Krankenhaus auf, wenn Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Gedanken daran entwickeln, sich selbst nicht zu verletzen.

Noch 5 Minuten.

Du musst an diese Freundin denken, zu der du gegangen bist, nur um nicht allein zu sein.
Sie war so mitfühlend, so fürsorglich. Sie hielt dich in ihren Armen als du nicht mehr konntest. Als alles herausbrach.
Später rief sie dir hinterher, dass du sie nur ausnutzen würdest.
Du denkst an deine Familie, die so herzerwärmend unbeholfen versucht hat, mit dir zu sprechen, dir zu helfen, und die du immer wieder weggeschickt hast, damit sie dich nicht so sehen.
Ihr Mitleid hat dich krank gemacht, so krank.

21:00.
Es ist Zeit.

Deine Hände öffnen routiniert die Schachtel, fischen eine halbe Tablette heraus und du schluckst sie herunter, ohne Wasser, einfach so.

Wenn man solche Pillen schluckt, braucht es ca. eine Woche, bis die Wirkung einsetzt.
Wenn man solche Pillen schluckt, kann es zu einer Gewichtszunahme kommen.
Du hast zehn Kilo zugenommen. Alle sagen dir, dass du gesünder aussehen würdest.

Aber wenn sie endlich ihre Wirkung voll entfalten, dann stört dich nichts mehr.
Dann ist alles herrlich, alles makellos.
Alles soll genau so sein.
Du könntest unter einem Bombenhagel über ein Minenfeld wandern, es wäre dir egal.
Die Dämonen schwinden und geben dich frei, die schlechten Gedanken sind zwar da, aber sie können dir nichts mehr anhaben.
Alles ist so herrlich friedlich, und du spürst nichts als Glückseligkeit.
Du bist entrückt.
Die Welt ist ein ferner, wolkenverhangener Ort, wo Dinge geschehen, die dich nichts mehr anzugehen scheinen. Du bist wie ausradiert.
Ein stiller Beobachter in seiner eigenen kleinen Welt, der auf die Menschen blickt und erkennt, dass er nichts mehr mit ihnen gemein hat.

Deine Freunde sagen, dass du dich verändert hast. Du bist viel gelöster und fröhlicher als früher.
Sie wissen nichts von dem, was mit dir geschehen ist.
Sie wollen es garnicht wissen.
Du schaust in ihre Gesichter, und denkst an nichts, du lächelst sie einfach so unendlich ruhig an, als würdest du über ihre unmotivierten Aufmunterungsversuche einfach hinwegsehen.
Denn genau das tust du.

Und auch wenn du umkippst in deinem Zimmer und mit deinem Kopf auf das dunkle Parkett schlägst, weil du zu viele von den Pillen geschluckt hast und dir schwindelig ist, du kurz vor einer Ohnmacht stehst, bist du ganz weit weg.
Dass du unaufhaltsam in einen Schlaf gleitest, aus dem es kein Erwachen mehr gibt, dass dein Körper zucken wird und du erst am nächsten Morgen gefunden wirst, mit Schaum vor dem Mund und mit gebrochenen Augen, wie leere Spiegel, interessiert dich nicht.

Du bist antidepressiv.

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Dein Arzt hat in seiner unleserlichen Handschrift etwas in das Feld geschrieben – Nach Vorschrift des Arztes einnehmen.
Seine Vorschriften kannst du kaum entziffern, es geht um irgendwas mit 21 Uhr.
Dunkel erinnerst du dich, dass er dir befohlen hat, eine halbe Tablette zu dieser Zeit einzunehmen.
Du schaust auf die Uhr deines Computers, der immer und immer wieder das selbe Lied spielt.
20:48.
Diese Zahl kotzt dich an.
Wenn du das Zeug brauchst, können 12 Minuten verdammt lang sein. In 12 Minuten kann so unglaublich viel passieren.
Eins und zwei, mehr nicht.

Denn die Gedanken kommen. Sie drängen unaufhörlich nach vorn, aus deinem Hinterkopf wollen sie deine Stirn überfluten, erobern Neuronenbahnen und vergiften dein Denken.
Aus deinem Unterbewusstsein steigen sie auf in deinen Geist, kehren aus dem Verdrängen immer wieder zurück.
Die Erinnerungen, der Druck, die Bilder, die Gefühle, so tief in deinem Inneren weggesperrt und doch immer da.

Es kann hilfreich sein, wenn Sie einem Freund oder Verwandten erzählen, dass Sie antidepressiv sind.
Dass Sie keine schlechten Gedanken mehr haben.

Du hältst es kaum aus, denn du weißt was passiert, wenn der Ritter Mirtazapin nicht erscheint. Dieser Engel mit dem Glorienschein, der alles erträglicher macht.
Du konntest nicht schlafen.
Du hattest Angst vor der Dunkelheit, in der die Dämonen lauerten, und vor dem Licht, in dem dein ganzen Scheitern offenbart wurde.
Schlaf war dein schlimmster Feind, denn er brachte die Träume, in denen du glücklich warst, bevor alles in Scherben zerfiel.

Du konntest nichts essen, zwar spürtest du Hunger, aber du wolltest dem Drängen deines Körpers nicht nachgeben.
Der Hunger machte es erträglicher, dieses ständige Stechen erinnerte dich daran, dass du noch da warst.

Noch 8 Minuten.

Am schlimmsten aber war der Wunsch nach Schmerz.
Ein Messer, Zigaretten, egal was, solange es schmerzte und brannte.
Deine Arme waren voll von roten Malen, du hast dich immer wieder und wieder gebissen.
Wie ein Tier in der Falle.
Deine Haut - eine Landkarte des Leides.

Gehen Sie zu ihrem Arzt oder suchen Sie unverzüglich ein Krankenhaus auf, wenn Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Gedanken daran entwickeln, sich selbst nicht zu verletzen.

Noch 5 Minuten.

Du musst an diese Freundin denken, zu der du gegangen bist, nur um nicht allein zu sein.
Sie war so mitfühlend, so fürsorglich. Sie hielt dich in ihren Armen als du nicht mehr konntest. Als alles herausbrach.
Später rief sie dir hinterher, dass du sie nur ausnutzen würdest.
Du denkst an deine Familie, die so herzerwärmend unbeholfen versucht hat, mit dir zu sprechen, dir zu helfen, und die du immer wieder weggeschickt hast, damit sie dich nicht so sehen.
Ihr Mitleid hat dich krank gemacht, so krank.

21:00.
Es ist Zeit.

Deine Hände öffnen routiniert die Schachtel, fischen eine halbe Tablette heraus und du schluckst sie herunter, ohne Wasser, einfach so.

Wenn man solche Pillen schluckt, braucht es ca. eine Woche, bis die Wirkung einsetzt.
Wenn man solche Pillen schluckt, kann es zu einer Gewichtszunahme kommen.
Du hast zehn Kilo zugenommen. Alle sagen dir, dass du gesünder aussehen würdest.

Aber wenn sie endlich ihre Wirkung voll entfalten, dann stört dich nichts mehr.
Dann ist alles herrlich, alles makellos.
Alles soll genau so sein.
Du könntest unter einem Bombenhagel über ein Minenfeld wandern, es wäre dir egal.
Die Dämonen schwinden und geben dich frei, die schlechten Gedanken sind zwar da, aber sie können dir nichts mehr anhaben.
Alles ist so herrlich friedlich, und du spürst nichts als Glückseligkeit.
Du bist entrückt.
Die Welt ist ein ferner, wolkenverhangener Ort, wo Dinge geschehen, die dich nichts mehr anzugehen scheinen. Du bist wie ausradiert.
Ein stiller Beobachter in seiner eigenen kleinen Welt, der auf die Menschen blickt und erkennt, dass er nichts mehr mit ihnen gemein hat.

Deine Freunde sagen, dass du dich verändert hast. Du bist viel gelöster und fröhlicher als früher.
Sie wissen nichts von dem, was mit dir geschehen ist.
Sie wollen es garnicht wissen.
Du schaust in ihre Gesichter, und denkst an nichts, du lächelst sie einfach so unendlich ruhig an, als würdest du über ihre unmotivierten Aufmunterungsversuche einfach hinwegsehen.
Denn genau das tust du.

Und auch wenn du umkippst in deinem Zimmer und mit deinem Kopf auf das dunkle Parkett schlägst, weil du zu viele von den Pillen geschluckt hast und dir schwindelig ist, du kurz vor einer Ohnmacht stehst, bist du ganz weit weg.
Dass du unaufhaltsam in einen Schlaf gleitest, aus dem es kein Erwachen mehr gibt, dass dein Körper zucken wird und du erst am nächsten Morgen gefunden wirst, mit Schaum vor dem Mund und mit gebrochenen Augen, wie leere Spiegel, interessiert dich nicht.

Du bist antidepressiv.