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Millijana — I Won't Let You Down - Scherben [ Kap. 14 ] [NSFW]
Published: 2014-03-23 16:13:08 +0000 UTC; Views: 145; Favourites: 0; Downloads: 0
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Description

Kalahira, Herrin der unergründlichen Tiefen, vergib mir.

 

Die Scheibe zersplitterte, als der Stuhl sie traf. Zwei der Modellschiffe fielen aus ihren Halterungen. Ihr verzweifelter Schrei hallte durch den Raum, den die metallenen Wände hohl klingen ließen.

 

Kalahira, deren Wellen Stein und Sand abtragen.

 

Ihre blaue Aura wurde von den Scherben und dem Metall reflektiert, als sie den Schreibtisch leerfegte und die Gegenstände in der zweiten Vitrine landeten. Weitere Scherben kamen hinzu. Verteilten sich im Raum. Tränen tropften von ihrer Nase und ihren Lippen, liefen den Hals hinab, sammelten sich in der Vertiefung ihres Schlüsselbeins.

 

Kalahira, spüle die Sünden von ihm ab und bringe ihn zur Küste des unendlichen Geistes!

 

Die zweite Scheibe explodierte, als die fast leere Flasche hindurchgeworfen wurde. Keines der Modellschiffe war mehr, wo es hingehörte. Die Halterungen waren aus ihren Verankerungen gerissen.  Ein weiterer Wink mit ihrer Hand und die Scherben wurden weiter verteilt. Ihre Schritte knirschten auf dem Glas, das in der Kabine verstreut lag. Sie presste ihre Kiefer aufeinander kniff ihre Augen zusammen. Als die ersten Schluchzer ihren Körper erzittern ließen.

 

Kalahira, dieses Herz ist rein, aber befallen von Bosheit und Konflikten.

 

Der Sessel flog gegen das Aquarium, doch die Schiebe hielt.

Er hatte ihr geholfen mit den Konflikten besser umzugehen. Er hatte ihr gezeigt, dass sie nicht alles bereuen konnte. Dass ihre Taten und ihr Geist nicht eins sein mussten. Dass sie nicht sein musste, wozu sie gemacht worden war, dass es eine Chance gab wieder sie selbst zu sein. Dass sie immer selbst entscheiden konnte, wohin ihr Weg führen würde.

 

Führe es an den Ort wo Reisende nie ermüden, Liebende nie weggehen, Hungernde nie hungern!

 

Sie war müde. Sie war müde Personen zu verlieren, die ihr etwas bedeuten. Sie war müde von ihrer Wut, von ihrer Trauer. Sie war es müde zu lieben und immer wieder lernen zu müssen, dass es keine Zukunft hatte. Sie war hungrig. Hungrig nach Nähe, doch wann immer sie es zuließ, dass jemand sie ein Stück begleitete, mit ihr ging, ihr nah war, wurde er ihr genommen. Verließ er sie und wendete sich ab.

 

Führe sie, Kalahira, und sie wird dir eine Begleiterin sein, wie sie mir eine war.

 

Selbst im Tode bereute er nicht. Er hatte Frieden gefunden. Frieden, den sie suchte. Er dankte ihr. Wofür? Dass sie ihn dazu gebracht hatte auf der Citadel zu sein? Dass er sich wegen ihr in Gefahr gebracht hatte? Er hatte Dinge auf sich genommen, die seinem Zustand nicht angemessen waren. Er hätte sich in Sicherheit bringen sollen, statt beschützen was ihre Aufgabe gewesen war. Sie war keine Begleiterin, sie war eine Mörderin. Sie konnte nicht einmal ihre Freunde retten.

 

 

 

 

 

 

„Lieutenant?“

James zuckte zusammen und riss seine Augen auf. Er hatte versucht nicht an Shepard zu denken und war dann doch tief in Gedanken über sie gewesen. Er machte sich Sorgen. Er hatte ihre Augen gesehen, als sie auf die Normandy zurückgekommen war. Ihre Haltung, ihre verkrampften Schritte. Er hatte schon im Aufzug gestanden und im letzten Augenblick den Knopf zu den Mannschaftsquartieren gedrückt, ehe er ihr fast gefolgt wäre.

„EDI?“

„Das Verhalten von Commander Shepard ist besorgniserregend.“

James legte seine Stirn in Falten. „Was genau tut sie?“

„Es wäre angebracht, wenn Sie sich selbst ein Bild davon machen und vor Ort entscheiden, welche Reaktion angezeigt ist. Aus meiner Sicht ist das Zerstören der Einrichtung ihrer Kabine nicht nachvollziehbar und scheint eine menschliche Verhaltensweise, die mir nicht ausreichend bekannt ist, als dass ich Ihnen einen Hinweis auf die erfolgversprechendste Methode im Umgang mit Shepard geben könnte.“

Es kostete ihn nur eine Sekunde um zu entscheiden, wie wichtig das Anliegen der KI für ihn war:

Er schloss den Wasserhahn und griff nach seinem Handtuch. „Warum kommst du damit zu mir?“

„Ich habe beobachtet, dass in 96% der Situationen großer emotionaler Erregung Shepard durch Ihre Anwesenheit positiv beeinflusst wird. Sie reagiert ruhiger und gefasster, wenn sie Augenkontakt mit Ihnen hergestellt hat oder sich zuvor von Ihrem Wohlsein überzeugt hat. Die einzigen Individuen, bei denen eine ähnliche, wenn auch prozentual geringere, Reaktion festgestellt wurde, sind, beziehungsweise waren, Major Alenko, Garrus und Thane Krios. Es liegt im Bereich des Möglichen, dass der Tod von Thane Krios ihr Verhalten ausgelöst hat.“

„Darauf kannst du deinen Arsch verwetten“, murmelte James, als er sich sein Shirt überzog und zu seinen Hosen griff.

„Ich ziehe es vor, diese Wette auszuschlagen, Lieutenant Vega. Da wir beide auf den gleichen Ausgang unsere Einsätze platzieren würden erscheint es mir nicht sonderlich sinnvoll.“

James seufzte und wunderte sich im Stillen, was dieser verrückte Pilot an dieser KI fand.  Er verließ den Waschraum und schloss seinen Gürtel während er auf den Aufzug wartete. Er warf einen nachdenklichen Blick zu einem Lautsprecher über ihm.

„EDI? Wie viel Prozent hatten die anderen?“

„Aus Aufzeichnungen aus der Helmkamera in Einsetzen unter der Alliance kam Major Alenko auf 56%. Garrus erreichte eine Quote von 69%. Im Fall von Thane Krios habe ich 77% beobachten können.“

Er trat in den Aufzug und hämmerte ungeduldig auf den Knopf zum Deck 1 bis die Tür sich endlich schloss. Er taumelte einen Schritt, als der Aufzug sich ruckartig in Bewegung setzte.

„Ich habe mir erlaubt die Geschwindigkeit des Aufzugs zu erhöhen, da Ihr Verhalten darauf hinweist, dass Sie meine Besorgnis teilen und Shepards Kabine schnellstmöglich erreichen wollen. Außerdem befürchte ich, dass weitere Teile der Normandy beschädigt werden, wenn Sie den Knopf des Aufzugs weiterhin in dieser Stärke und Häufigkeit betätigen.“

James seufzte, als er sein Ziel erreicht hatte. „Danke“, murmelte er als er in die Kabine stürmte, deren Tür bereits offenstanden.

Nach nur wenigen Schritten blieb er erschrocken stehen. Der Raum war ein Schlachtfeld. Warum hatte er auf seinen Verstand gehört, statt gleich hier her zu kommen? Er hätte wohl das Schlimmste abfangen können, bevor sie ihre Kabine demoliert hätte.

Dann fiel sein Blick auf sie, wie sie auf Händen und Knien auf dem Boden zwischen Scherben kauerte und weinte.

¡Chale!

Er joggte die Treppe hinunter und hockte sich neben sie. Er sah sie einen Moment hilflos an. Er hatte sie so noch nie gesehen und es machte ihm eine Scheißangst. Auf der anderen Seite, konnte sie nicht immer stark sein. Er wollte jetzt nicht darüber nachdenken, wie oft sie schon in einer ähnlichen Stimmung gewesen war, während er im Shuttle Bay Klimmzüge gemacht hatte um sie irgendwo festhalten zu können und nicht zu ihr zu gehen. Den Blick, den er heute von ihr im CIC gesehen hatte, kannte er von anderen Missionen. Als sie die Erde verlassen hatten, Tuchanka, nach Rettungsmissionen, die zu Bergungen geworden waren, nach Gesprächen mit dem Council, nach Mars.

Er legte ihr schließlich eine Hand auf ihre Schulter und betrachtete sie. Sie hatte ihre elastische Unterrüstung nur halb ausgezogen und  erst, als sich ihr Haar zur Seite schob, weil sie überrascht ihren Kopf drehte, fiel ihm auf, dass sie obenherum nur ihren Sport-BH trug. Erst dann viel ihm auch auf, dass er wegen des Tattoos recht gehabt hatte.

„Was willst du hier?“ Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Sie klang müde und rau. Sie klang nicht nach ihr.

„Sichergehen, dass du das Schiff nicht auseinandernimmst.“ Er machte den Versuch sie aufzurichten, doch er kassierte einen heftigen Stoß von ihrem Ellenbogen in den Bauch. Er hätte eher damit gerechnet, dass sie ihn, so wie ihr Mobiliar gegen die Wand schmetterte.

„Verpiss dich“, faucht sie.

 Es ließ ihn etwas zurück sinken und leise aufstöhnen, doch er brauchte nur einen Moment um sie wieder bei ihren Schultern gefasst zu haben und sie zu sich gedreht zuhaben. Sie musste sich hier völlig verausgabt haben, wenn sie ihre Biotik nicht einsetzte.

„Das kannst du dir abschminken, Lola.“ Er sah sie ernst an und gab sich die größte Mühe jedes Gefühl, dass ihr Zustand in ihm auslöste aus seinem Gesicht zu verbannen – ohne Erfolg. Ihre Augen waren aufgequollen und sie war blass. Scheiße, sie sah aus, als würde sie jede Sekunde zusammenbrechen. Sie brauchte Schlaf und etwas zu Essen. Und ein bisschen Medigel für die kleinen Wunden im Gesicht, die sie sich durch die herumfliegenden Glassplitter zugezogen hatte.

Er konnte Alkohol in ihrem Atem riechen, als sie ihn ansah; zu müde um wütend zu sein. Sie wirkte besiegt. Er atmete tief durch und sah sich rasch in der Kabine um, damit sie nicht in seinen Augen sehen konnte, was er gerade fühlte. Er entdeckte die Flasche Vodka, die zerbrochen zwischen Bett und Sofa auf dem Boden zwischen den Scherben der Vitrine lag. Hartes Zeug, kein Wunder, dass sie so drauf war. Oder sie hatte so viel getrunken, weil sie so drauf war. Wenn er hätte wetten müssen, hätte er aufs Letztere gesetzt.

„Ich werde dich jetzt da auf das Bett setzen und mich dann um die Wunden kümmern, okay?“

Sie verdrehte ihre Augen, wenn auch mit weniger Elan als gewöhnlich. „Ich habe wohl keine Wahl, weil du im Moment sturer bist als ich.“

„Richtig, Lola.“

Er verschwand im Bad, als er sich sicher war, dass sie nicht vom Bett fallen würde, wenn er sich umdrehte und suchte nach dem Erste-Hilfe-Kasten. Er kam mit einem Behälter Medigel zurück und sah erst dann, dass auch Ihre Hände bluteten.

Er schüttelte seinen Kopf und fragte sich ernsthaft, was nur mit ihr los war. Wie hatte die überaus kontrollierte Frau so dermaßen die Kontrolle verlieren können.

 Sie wehrte sich nicht, als er ihr das Blut vom Gesicht wischte und zuckte nicht, als er es desinfizierte, ehe er das Medigel auftrug. Die Anweisungen lauteten, dass sie sich schützen sollten, wenn sie in Kontakt mit dem Blut anderer kamen, doch er konnte sich im Moment kaum weniger darum scheren. Er wollte sich nicht durch Handschuhe von ihr distanzieren. Das war vermutlich das Letzte, was sie gerade brauchte.

Ihre Augen waren geschlossen und noch immer lief ihr gelegentlich eine Träne über die Wangen. Sie sah nicht auf und zuckte nicht, als er einige kleine Scherben aus ihren Händen zog. Es war fast als entspannte sie sich ein wenig mehr. Das war die seltsamste Reaktion, die er je erlebt hatte.

„Lola?“ Er sprach leise und wartete bis sie ihn wieder ansah. „Willst du mir nicht sagen, was los ist?“

Sie sah ihn einen Moment an, schüttelte dann ihren Kopf und sah auf ihre Hände, auf denen das Medigel ihre Wunden verschloss.

James war überfragt. Was sollte er tun, wie sollte er an diese Frau rankommen, die niemanden an sich heran ließ. Er setzte sich schließlich neben sie auf das Bett und wollte ihr gerade seinen Arm um ihre Schultern legen, als er sich im letzten Moment eines besseren besann.

Er lehnte sich auf seinen Händen zurück und sah sie an, wie sie in ihrer halb ausgezogenen Rüstung auf der Bettkante saß. Die Haare fielen ihr lang über den Rücken. Zwischen den Haaren konnte er das Tattoo sehen, das auch auf ihrem rechten Arm weiterging und sich über ihre Rippen zu ihrem Brustkorb fortsetzte. Wie eine Ranke einer Kletterpflanze. Ein Teil seines Kopfes wünschte sich dieses Kunstwerk einmal im Ganzen zu sehen. Diesen Teil konnte er aber schnell ruhigstellen. Ein anderer Teil wunderte sich, warum sie es sich hatte stechen lassen. Es war kein Motiv, dass man sich einfach so stechen lassen würde, weil man es grade geil fand. Es würde einige Sitzungen gebraucht haben. Aber auch das, entschied er, hatte Zeit.

„Er stand dir nah.“ Er stellte er schließlich einfach fest.

Sie erstarrte. Selbst zuzugeben, dass ihr eine Person nah stand fiel ihr schwer. Doch schließlich seufzte sie und nickte. „Er hat mir durch die Zeit geholfen, als ich für Cerberus gearbeitet habe. Als ich versuchte ein Leben wieder aufzunehmen, das zwei Jahre nicht existiert hatte. Als mich einige der Leute, von denen ich es nicht gedacht hatte, haben hängen lassen.“

James nickte und lehnte sich dann nach vorn, mit den Ellenbogen auf die Knie. „Leute wie Alenko.“

Shepard nickte. „Wir standen uns nah, früher, bevor ich… gestorben bin.“ Jetzt, wo sie ruhiger war und Kontrolle abgab, hörte er das Lallen deutlicher. Abgesehen von dem Zwischenfall mit dem vergifteten Drink hatte er sie noch nie so gesehen

„War da was zwischen euch?“

Sie schüttelte ihren Kopf. „Ich … habe das nicht zugelassen. Es hätte uns in Gefahr gebracht und den Job gefährdet.“

„Den Job gefährdet? Das war der Grund?“

Sie nickte.

„Nicht vielleicht, weil du jeden, der dir zu nah kommst von dir schiebst?“

„Laber keinen Müll, Vega.“

Sie würde es nicht zugeben. Er fragte sich, was er hier eigentlich versuchte zu beweisen. Würde es ihm besser gehen, wenn sie es zugab? Sicher, er wollte ihr helfen und sie unterstützen, aber er stellte sich leise die Frage, ob das nicht eine Nummer zu groß für ihn war. Sie schien kaputter zu sein, als es auf den Ersten Blick zu sehen war. Und trotzdem konnte er nicht einfach aufstehen und gehen. Nach dem Ausflug von ein paar Wochen, wo ihr dieser Satz rausgerutscht war, hatte er immer wieder dran denken müssen. Er hatte keine Ahnung, ob das ihr Ernst gewesen war, aber es ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und jetzt saß er hier und dachte darüber nach sie ebenso hängen zulassen, wie Alenko. Der Typ, der am besten wissen musste, wie es ihr ging, er kannte sie mit Scars und Doc am längsten. Okay und der irre Pilot und Chakwas. Aber so wie sie sagte war da was zwischen ihnen gewesen. Nichts echtes, aber Gefühle. Das schweißt zusammen, zumindest hatte er das immer gedacht. Aber wenn er sie so ansah und hörte, dass Alenko, sie offensichtlich hat hängenlassen, war er sich sicher, dass das nicht das erste Mal gewesen war.

„Ist nicht die erste wichtige Person, die du verlierst.“

Sie schüttelte ihren Kopf mit geschlossenen Augen. „Nein.“ Ihre Stimme klang, als würden neue Tränen ihr den Hals zuschnüren. „Sie verlassen mich alle auf die eine oder andere Weise, und das hier ist das, was dann passiert, ich verliere die Kontrolle, wenn ich es nicht gebrauchen kann.“ Sie wischte sich eine Träne mit ihrem Handrücken von der Wange. „Und wenn sie mich nicht verlassen, dann sterbe ich. Ich muss mich zusammenreißen. Und Gefühle helfen dabei nicht. Ich muss das hier noch durchziehen.“

Er sah sie an und wurde plötzlich wütend. Sie hatte nicht vor das alles hier zu überleben. Sie hatte keinen Grund das zu tun, nichts, außer diesem Kampf, hielt sie am Leben. Waren die Reaper ausgeschaltet, war das vorbei. Sie plante den Krieg nicht zu überleben. Nur sicherstellen, dass sie gewannen. Es brachte ihn zum Kochen.

Er schob sich ruckartig vom Bett und hockte vor ihr. Er hatte keine Ahnung, was er tat, aber er war sich sicher, dass er etwas tun musste. „Hör zu, Lola. Es ist mir scheißegal, ob du das hören willst oder nicht. Es juckt mich auch nicht, ob du mich immer wieder von dir wegschiebst, denn ich werde immer wieder genau hier sein. Hier bei dir, bis du mich endlich hinter die Mauern gucken lässt. Es spielt keine Rolle wie sehr du dich bemühst Gefühle aus dem Spiel zu lassen. Das ist ohnehin zu spät. Es interessiert mich, wie es dir geht und ich lasse mich nicht so einfach abservieren, verstanden?“

Sie schüttelte ihren Kopf und sah an ihm vorbei zu der zerstörten Sitzgruppe. „Geh einfach, James“, sagte sie leise. „Ich habe nichts, was ich bieten kann. Das einzige was ich sicherstellen kann, ist, dass einer von uns allein zurückbleibt. Da gibt es keine Zukunft oder ein Happy End. Ich und mein Leben sind kaputt und du weißt gar nicht, was dich hinter der Mauer erwartet. Bleib einfach auf deiner Seite der Mauer.“ Sie sprach wieder deutlicher.

Er hatte vom schnellen Metabolismus der Biotiker gehört, aber das war echt heftig. Das was sie sagte macht ihn allerding einfach nur noch wütender.

„Du verstehst es nicht, oder?“ Er schob sich ein wenig in die Richtung in die sie sah. „Es kümmert mich einen Dreck, ob du mir was bieten kannst. Du bist du und das reicht mir.“

„Du weißt nichts von mir.“

„Verdammt richtig, aber das liegt nicht daran, dass es mich nicht interessiert. Du willst jeden aus deinem Leben ausgrenzen und machst dich damit angreifbarer. Du setzt dich selbst so sehr unter Druck, dass so etwas hier vorprogrammiert ist.“ Er atmete tief durch, er wollte sie nicht anschreien. „Lola, ich habe dich auf dem Übungsplatz gesehen, ich sehe dich im Kampf. Da gibst du die Kontrolle auch nicht vollständig ab, aber du lässt dich gehen, entscheidest instinktiv und du verlässt dich auf uns da draußen. Darum sind es Scars und ich, die dich begleiten. Du vertraust uns mehr als den anderen. Da draußen, bist du wie du sein solltest. Aber dann gibt es diese Momente. Wie willst du das alleine schaffen?“

Sie sagte nichts. Sie saß einfach nur da und sah auf die Scherben auf dem Sofa.

„Lola, ich bin hier, rede doch einfach mir mit.“ Er hatte keinen Plan mehr, was er  noch sagen sollte.

„Ich habe keine Ahnung“, flüsterte sie.

James sah sie überrascht an.

„Ich habe keine Ahnung, wie ich das schaffen will. Wir hätten beinah den Rat und die Citadel verloren, weil ausgerechnet Cerberus uns alle zum Narren gehalten hat, ich habe einen Freund verloren und auf einen anderen meine Waffe gerichtet.“ Sie schluckte. „Ich hätte ihn erschossen, James. Ich hätte einfach abgedrückt, wenn er nicht nachgegeben hätte, wenn er mir nicht geglaubt hätte. Ich konnte Udina nicht davon kommen lassen. Dann hätten diese Bastarde zwei Freunde auf dem Gewissen. Einer davon durch meine Hand getötet.“

James legte ihre eine Hand auf ihr Knie. Er mied die unbekleidete Haut. Etwas sagte ihm, dass es so besser war.

„Ich bin es satt, diese Entscheidungen zu treffen. Ich fühle mich leer und ausgelaugt.“

Er musterte sie. „Wie viel schläfst du?“

„Am Stück oder wann das letzte Mal wirklich?“

„Ernsthaft.“

„Das ist mein Ernst.“ Sie zögerte, doch schließlich sah sie ihn wieder an. „Ich träume. Dann werde ich wach und schlafe nicht wieder ein… weil…“ Sie verstummte und sah wieder auf den Boden.

„Weil du Angst hast wieder zu träumen.“

Sie nickte.

James seufzte. Scheiße, er wollte was tun, wollte dass sie sich wieder besser fühlte, dass sie wieder lachte. Wenigstens ab und zu. „Und wenn ich hier bleiben würde?“

Shepard sah ihn mit gerunzelter Stirn an.

„Ich wäre hier, wenn du wach wirst.“

Sie schnaubte – halbherzig. „Und das bringt mir was?“

Er seufzte. Wenn er wollte, dass sie offen war, dass sie ihn rein ließ, dann musste er wohl das Gleiche tun. Und wenn er ihr beweisen wollte, dass er ernst meinte, was er ihr gesagt hatte, dann musste er auch damit anfangen. „Es hilft. Nicht alleine zu sein, mein ich.“

Sie sah ihn jetzt wieder an, mit ihren großen dunklen Augen. Ihre Wimpern waren noch immer nass.

„Hab das nach Fehl auch lernen müssen.“ Er holte Luft; musste sich selbst Mut machen weiter zu reden. Es wurde ihm langsam klar, warum sie nie über den Kram redete. Es hatte bisher niemanden gegeben mit dem er das tun wollte; der nachgefragt hätte. „Hab damals ne Mengen Frauen in mein Bett geholt, bis ich wieder zum Dienst zugelassen wurde.“ Er machte eine Pause. „Bis ich auf die Erde beordert wurde.“

„Um mich zu bespaßen“, führte sie fort, was sie dachte, was richtig war.

Er zog einen Mundwinkel ein wenig nach oben. „Eigentlich um dich zu bewachen. Der Rest war Bonus.“

Sie lächelte kurz. „Dann wurde ich also zu deiner Therapie.“

„Gewissermaßen.“ Er zuckte mit einer Schulter.

Sie wurde wieder ernst und sah auf seine Hand, die noch immer auf ihrem Knie lag. „Scheiße... Ich bin froh, dass ich dir helfen konnte, aber das heißt nicht, dass du glauben sollst das Gleiche für mich tun zu  müssen.“

Wollte sie es nicht kapieren, oder war sie wirklich so stur? Er hatte so dermaßen die Schnauze voll. Er zögerte nicht, als er eine seiner großen Hände auf ihre Wange legte und ihren Kopf so drehte, dass sie ihn ansah. Ihre Augen waren weit aufgerissen.

Sie wollte sich aus der Berührung winden; nicht einmal halbherzig, viel weniger. „James, ich denke nicht, dass es angemessen ist…“

Er ignorierte sie und beugte sich vor, während er ihr Gesicht zu sich heran zog. Sie zeigte keinen Widerstand, sondern bewegte sich fast ohne sein Zutun. Sie brach ihren Satz ab, als ihre Lippen sich berührten.

Sie schloss ihre Augen und fühlte wie sich ihr Puls beschleunigte. Sie bekam für einen Moment keine Luft, atmete heftig ein. Es war nur ein Moment, bis er sich wieder zurückzog.

Was machte der verdammte Mann mit ihr. Warum war sie nicht in der Lage sich wie gewöhnlich zu verhalten. Wenn sie sie selbst gewesen wäre, hätte sie ihn achtkantig rausgeworfen, aber er machte sie weich und schwach. Und sie hasste es, konnte ihn aber trotzdem nicht wegschicken. Ja, verdammte Scheiße, sie wollte, dass er blieb. Sie wollte dass er da war, wenn sie schweißgebadet aufwachte. Es war egoistisch. Aber jetzt gerade brauchte sie das. Ihn. Hier.

Er hatte sie losgelassen und sich wieder zurückgelehnt. Er hatte keinen Dunst, wie sie nun reagieren würde. Sicher, sie hatte sich nicht gewehrt, trotzdem sagte ihm sein Verstand, dass er vielleicht doch besser gehen sollte, dass er zu weit gegangen sein könnte. Dass er es versaut hatte. Der erwartete Schlag ins Gesicht war bisher ausgeblieben, das war immerhin schon mal ein gutes Zeichen.

„Bleib.“

Er sah sie an und verkniff es sich nachzufragen ob es ihr Ernst war.

„Bitte.“ Sie flüsterte nur.

Er hatte sie noch nie um etwas bitten sehen, seit sie zur Speerspitze des Wiederstandes ernannt worden war. Sie hatte verlangt, befohlen, erwartet. Aber nicht gebeten. Niemanden. Außer ihn, jetzt gerade.

„Hey.“ Er legte ihr wieder eine Hand auf ihre Wange. „Wie wär’s, wenn du jetzt eine Dusche nimmst, während ich hier ein bisschen klar Schiff mache?“

Sie zögerte, doch nickte schließlich.

 

Als sie aus der Dusche kam, war sie einfach nur erschöpft. Sie war müde und ausgelaugt. Dieser Scheißtag hatte ihr einiges abverlangt und die Trauer fraß sich weiter durch ihre Eingeweide. Doch ihr fehlte die Kraft weiter wütend zu sein.

James hatte sich um die Scherben gekümmert und lag mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf dem Bett und sah aus dem Fenster darüber.

„Nette Aussicht, was?“

Er setzte sich ruckartig auf und sah sie entschuldigend an. „‘Tschuldigung, es war nur so einladend.“

Sie zuckte mit einer Schulter. „Schon okay.“

Er runzelte seine Stirn. Er schien noch immer unsicher, was er tun sollte. Und sie musste zugeben, dass sie das selbst nicht wusste. Und war es nicht einfach scheißegal? Sie hatten sich geküsst. Es war eh zu spät. Wie er gesagt hatte.

Vielleicht… Nein, so weit wollte sie nicht gehen. Er war ein Freund. Das konnte sie für den Moment akzeptieren. Ein Freund der ihr helfen wollte und den sie das auch tun lassen würde. Und damit war Schluss. Also konnte sie auch zu ihrem üblichen Ton miteinander übergehen. Das würde es einfacher machen.

„Bleib, wo du bist, mir gefällt was ich sehe.“ Sie grinste kurz und wusste selbst, dass es halbherzig war. Und auch, dass er es sehen würde. Aber es war einfach egal.

Er musterte sie einen Moment. „Das ist gut für mich, schätze ich. Ich hatte schon befürchtet auf der Couch schlafen zu müssen. Bin mir nicht sicher ob ich alle Scherben erwischt habe.“

„Ich kann dich immer noch aus dem Bett werfen, wenn du mir auf die Nerven gehst.“

Er hob einen Mundwinkel. „Sicher…“

Sie redeten. Es war seltsam; ungewohnt. Aber Ella konnte den Gedanken nicht unterdrücken, dass es angenehm war. Sie lagen einfach nebeneinander und sprachen über das, was sie erlebt hatten. Sie erzählte davon, was Thane so besonders für sie gemacht hatte.

Er erzählte von seinem CO auf Fehl. Sie mieden die Geschichten über Entscheidungen.

Sie fragte ihn, warum er keine Freundin hatte. Er sagte, dass es seine Entscheidungen beeinflussen würde. Sie fragte nicht weiter nach, sondern nickte nur. Sie verstanden sich. Er hatte seine Erfahrungen und sie die ihren, aber es hatte sie zu dem gleichen Schluss kommen lassen. Bis sie einander getroffen hatten.

Er fügte mit einem Grinsen hinzu, dass sie ohnehin immer nur seinen Körper wollten und nicht ihn.

Sie grinste zurück. „Wer sagt dir, dass es bei mir anders wäre?“

Er zuckte zusammen. Sie sah es in seinem Gesicht. Er hatte damit nicht gerechnet. Nicht mit der Ernsthaftigkeit ihres Blickes.

„Weil du mir nicht den ganzen Müll erzählst, von wegen innerer Werte, und harte Schale weicher Kern und so weiter und so fort.“ Er musterte ihr Gesicht. „Weil du erst unter Drogen gesetzt werden musstest, bevor du mir gesagt hast, dass du was für mich übrig hast.“ Er lächelte über den Ausdruck auf ihrem Gesicht. „Weil du mich ohne mit der Wimper zu zucken hättest gehen lassen, bevor wir uns geküsst haben.“

Sie runzelte ihre Stirn. „Und das sagt dir, dass ich dich nicht einfach nur flachlegen will?“

„Das hättest du schon vor Wochen gekonnt, hast es aber nicht mal versucht.“

„Stimmt.“ Sie schob ihm eine Hand in seine lockere Faust mit der er sich vor seinem Bauch aufstützte. „Denn dann wärst du jetzt nicht hier.“

Er verstand. Sie hätte ihn dann nur noch weiter von sich geschoben. Hätte ihn vielleicht versetzen lassen. Er hob ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen. „Ich bin auch froh hier zu sein, Lola.“

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